ALLES MUSS RAUS!

WARUM SPEZIALITÄTENKAFFEE- RÖSTER UND INDUSTRIERÖSTER EINANDER BRAUCHEN.

Reden wir über Kaffeequalität. Diese hängt zu einem überwiegenden Teil mit der Rohkaffeequalität zusammen. Gute Rohstoffe sind immer der Anfang eines Veredelungsprozesses. Ein Röster braucht eine gute Basis, um feine Röstkaffee-Ergebnisse zu erzielen. – Diese Sätze würde wahrscheinlich so ziemlich jeder unterschreiben. Aber was passiert dann mit den „schlechten“ Qualitäten?

Dazu muss man erst einmal definieren, was mit „guter Qualität“ gemeint ist. Einfach gesagt, eine gute Roh- kaffeequalität zeichnet sich durch einen ausreichenden Reifegrad, gerechte Lagerung, eine Feuchtigkeit um 11%, Homogenität in Größe und Dichte und durch die Abwesenheit von Kaffeedefekten mit begleitenden „Off-Flavours“ aus. Ein homogener Rohkaffee hilft den Röstereien, einheitliche Röstgrade zu erzielen. Bei einem Sammelsurium von verschiedenen Bohnengrößen und -dichten werden kleinere und weniger dichte Bohnen mit mehr Hitze – bezogen auf ihre Massekonfrontiert als dichtere und größere. Dieser Spagat bringt sehr viel Unruhe und Extreme in die Tasse. Daneben definiert sich die subjektiv empfundene Qualität über die entstehenden Aromen und Geschmacksstoffe bei der Röstung bedingt durch die Region, Terroir und vorherrschendes Klima. In der Hinsicht auf die allgemeineren Q-Kriterien spielen natürlich neben den Kaffeebauern die sogenannten „Dry Mills“ eine große Rolle, entweder von großen Produzenten selbst geführt oder auch von Kooperativen sowie Exporteuren.
Worin besteht die wichtige Rolle von „Dry Mills“? Sie sortieren und klassifizieren die unterschiedlichen Rohkaffeequalitäten. Eine reife Kirsche lässt eine Kaffeebohne mit höherer Dichte entstehen als eine mit niedrigerem Reifegrad. Größere Bohnen aus demselben Feld stammend und von derselben Varietät weisen auf eine bessere Nährstoffversorgung hin als kleinere. Deswegen werden in den Dry Mills die getrockneten Kaffeebohnen von der Pergamino-Schicht befreit, entstaubt, Fremdkörper entfernt und danach granulometrisch (Sortierung nach Größe), densiometrisch (Sortierung nach Dichte) und durch elektronische Farbsortierung ausgemustert.

Das heißt in groben Zügen: Die Bohnen werden durch Siebanalgen in die Screens 15 (klein) bis 18 (groß) getrennt. Danach werden die verschiedenen Größen über „Upward flow grader“ – schräge perforierte Sortiertische mit Hürden, bei denen von unterhalb Druckluft nach oben geblasen wird
– in höhere und niedrigere Bohnendichten getrennt. Die Bohnen mit der höchsten Dichte verbleiben am oberen Ende des schrägen Sortiertisches, am unteren Ende befinden sich meistens die defekten Bohnen. Zum Schluss werden dann aus den aufgetrennten Fraktionen noch mal verbleibende defekte Bohnen aufgrund ihrer erkennbaren Verfärbungen elektronisch aussortiert. Eine Rösterei unterscheidet beim Einkauf demnach nicht nur nach der Qualität der landwirtschaftlichen Praxis und der post-harvest-processing Maßnahmen eines Produzenten, sondern auch zwischen den verschieden aussortierten Qualitätsfraktionen des Erntevolumens. Und bis auf die rein defekten Bohnen wird auch alles verkauft. Denn die Produzenten sind verständlicherweise daran interessiert, die gesamte Ernte zu verkaufen, um grüne Zahlen zu schreiben. Nur durch den Verkauf der besten Qualitätsfraktionen könnten viele Produzenten wirtschaftlich nicht überleben, außer wenn sie besonders spezialisiert sind. Was jedoch ein Fakt ist, dass mit den besseren Fraktionen von den Produzenten gutes Geld verdient werden kann. Zusammenfassend muss man deshalb ehrlich sagen, es ist wichtig, dass alle Qualitäten am Markt gehandelt werden, damit die Produzenten ihre Ernten verkaufen können, aber es ist umso wichtiger, dass die besten Qualitäten gewürdigt und vor den Vorhang geholt werden. Die guten Qualitäten erzeugen nämlich Wettbewerbsdruck und lassen die Anforderungen am Kaffeemarkt insgesamt steigen. Hier liegt wahrscheinlich die größte Errungenschaft der Spezialitätenkaffeebewegung:
Im Erkennen, dass bei der Qualität noch viel möglich ist und gemeinsam mit den Kunden Druck erzeugen, damit Qualitäten verglichen und honoriert werden.

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