DIE KIRSCHE FÄLLT NICHT WEIT VOM STAMM?
Unterscheiden wir beim Wein schon recht fachkundig zwischen Grünem Veltliner und Muskateller, zwischen Merlot und Zweigelt, so sind wir beim Kaffee meist noch recht unbedarft. Wie beim Wein hält auch die Kaffeewelt einen großen Reichtum verschiedener Varietäten (Sorten) für uns bereit.
Coffea arabica und Coffea canephora (umgangssprachlich: Robusta) sind die beiden relevanten Kaffee-Gattungen am Weltmarkt. Die Varietäten, welche aus ihnen hervorgehen, weisen je nach Herkunft, geographischer Lage, Terrain und Verarbeitung ihre speziellen regionalen Charakteristika auf, vergleichbar mit den verschiedenen Rebsorten im Wein-bau. C. arabica und C. canephora haben eine gemeinsame Vergangenheit. Paradoxon der Geschichte: C. canephora ist die ältere und ein „Elternteil“ der Arabica Gattung, obwohl sie erst später entdeckt wurde. C. canephora ist seit Mitte des 19. Jh. in menschlicher Verwendung. Die Geschichte der Nutzung der Arabica Pflanzen hingegen beginnt zwischen 500 und 1000 n. Chr.
Äthiopien und Yemen sind die Heimat der ältesten Arabica Varietäten. Äthiopien ist die Wiege des Arabicas. Viele lokale Varietäten sind über Jahrtausende in den Regenwäldern Äthiopiens natürlich entstanden (Wolisho, Kudumé, Dega, Yawan, um nur einige wenige zu nennen). Die Menschen haben über die Zeit aus dieser Pflanzenvielfalt aufgrund bestimmter Charakteristika selektiert, um neue Varietäten zu kreieren (Dilla, Geisha,…). Durch die Ausdehnung auf andere Gebiete sind zusätzlich neue Varietäten auf natürlichem Wege entstanden.
Yemen war das erste Land, auf das die Arabica Pflanze aus Äthiopien überschwappte. Und Yemen ist die Quelle von drei Varietäten, die der Ausgangspunkt vieler heutiger Hybriden – natürlich entstanden oder durch Züchtung – sind: Typica, Mocha und Bourbon. Diese drei sehr alten Varietäten sind weniger produktiv als neue Hybriden. Sie sind unter Kaffeekennern wegen ihres Reichtums an Aromen sehr geschätzt. Das spiegelt sich auch im Preis dieser Rohkaffees wider.
Neue Varietäten – natürlich mutiert oder durch Menschenhand gezüchtet – blicken auch schon auf eine längere Geschichte zurück. So wurde zum Beispiel 1935 eine Mutation in der Bourbon Pflanze beobachtet – versehen mit dem Namen Caturra. Diese Pflanze wurde zur Grundlage für viele Züchtungen, die auf Ertragsreichtum abzielen. Während eine Typica Pflanze per Hektar nicht mehr als 500 Kilogramm abwirft, erzielt man bei Caturra bis zu 1.500 Kilogramm.
So sind Natur und Menschheit in ständigem Bemühen neue Varietäten hervorzubringen. Qualität und Ertrag bilden dabei die äußersten Pole. Von Menschenhand wurde über lange Zeit der Fokus auf Ertrag gelegt. Diese Sorten konnten aber bis dato nie mit den ältesten drei in Punkto Geschmack mithalten.
Grundsätzlich gilt: Arabica-Abkömmlinge weisen einen höheren Anteil an Säuren und feinsinnigen Aromen auf. Robusta Varietäten sind tendenziell für herbe, kräftige, rauchige und bitter-wallnussartige Charakteristika bekannt. Gerne kombiniert man die Eigenschaften beider in Mischungen („Blends“) zu runden vollmundigen Geschmacksprofilen. Auch in der Pflanzenzucht gibt es Versuche, Arabica und Robusta Varietäten zu kreuzen mit dem Ziel die sensorischen Attribute der Arabicas mit der Widerstandskraft der Robustas zu vereinen.
Betrachtet man beide Gattungen auf chemischer Ebene, so lassen sich Geschmacks-Tendenzen herleiten. Signifikante Unterscheidungsmerkmale sind Koffein- und Chlorgensäuren-gehalt, Fett- und freier Aminosäurengehalt, Saccharose und Polysaccharid-Gehalt. Als „molekulare Bausteine“ haben diese Stoffgruppen einen großen Anteil am Ergebnis der Röstung und somit am Geschmack in der Tasse.