DIE SÄURE IM KAFFEE TEIL II
EXTRACT THE ETERNAL
FROM THE EPHEMERAL
CHARLES BAUDELAIRE
Entnehme dem Flüchtigen – das Ewige.
Im Buch The Espesso Quest, von dem Australier Instaurator, erzählt der passionierte Kaffeeexperte über die „göttliche“ Geschmacksexplosion bei einem gelungenen Espresso Shot: “I saw God in my espresso cup”.
Schon die Ausdrucksweise legt nahe, dass dieses Erlebnis nicht so leicht zu haben ist. Denn einen wirklich gelungenen Shot zuzubereiten ist wahrlich nicht leicht. Neben der persönlichen Geschmacksvorstellung sind einige wichtige Parameter dafür nötig. Nicht unwesentlich hängt es auch mit der Gerätschaft zusammen, die man verwendet: v.a. Mühle und Siebträgermaschine.
Gehen wir kurz tiefer.
Wasser: Wasser spielt als Lösungsmittel und Medium für Kaffee eine zentrale Rolle. Für den Aspekt der Säuren-Extraktion ist der Begriff Carbonathärte und Alkalität wichtig. Die Carbonathärte gibt uns die Mengen an gelöstem Calciumkarbonat und Magnesiumkarbonat (beides ist Kalk) im Wasser an. Alkalität beschreibt die Kapazität des Wassers Säuren abzupuffern, d.h. die Ansäuerung auszugleichen. Bei der Kaffeeextraktion werden einige Säuren aus dem Kaffeemehl gelöst, wie Zitronen-, Apfel- und Phosphorsäure. Je nach Alkalität des Wassers wird die Ansäuerung gepuffert. Dies beeinflusst unser „Sauer“- Empfinden. Calcium und besonders Magnesium sind die wichtigen Extrakt-Booster. Mit ihnen steigt der Extraktgehalt in der Tasse. Hingegen führt weiches Wasser zu „säuerlichem“ und „laschem“ Kaffeegeschmack. Zu hartes Wasser verkalkt die Maschinen und deckt die wertvollen Aromen zu.
Empfohlen: Carbonathärte 4-6d°, Gesamthärte 7-9dH°, pH-Wert 7.
Das Extraktionsverhältnis (Brew Ratio):
Daumenregel für Espresso 1:2 => 20g Kaffeepulver ergibt nach 25 Sekunden 40g Kaffee in der Tasse. Warum? Die Kaffeeherstellung ist eine Fest-Flüssig-Extraktion. Extrahere: man „zieht“ Inhaltsstoffe mittels Wasser aus dem Kaffee heraus in die Tasse. Koffein, organische Säuren (z.B. Zitronensäure) und andere leicht lösliche Aromastoffe wie Süß-malziges (Methylbutanal) sind bei ca. 92°C Extraktionstemperatur in den ersten Espressotropfen enthalten. Die bitteren Inhaltsstoffe (Abbauprodukte der Chlorogensäuren) und röstige Pyrazine sind schwerer löslich und gehen erst zu einem späteren Zeitpunkt und bei höheren Temperaturen in Lösung. Für einen „runden“ Espresso brauchen wir die gesamte Palette. Läuft der Espresso zu „schnell“ und dadurch zu kurz, kommt es zu einer Unterextraktion. Das Resultat ist ein lascher, säurebetonter Kaffee. Läuft der Espresso zu „langsam“ und dadurch zu lang, kommt es zu einer Überextraktion. Das Resultat ist ein Überhang von bitteren und adstringierenden Wahrnehmungen auf der Zunge. Darüber hinaus ist auch der Koffeingehalt durch die lange Extraktionsdauer erhöht.
Die Extraktionstemperatur spielt in diesem Zusammenhang auch eine wichtige Rolle: niedrige Temperaturen führen zu säurebetonteren Kaffees. Zu hohe Temperaturen bringen die Bitterstoffe in den Vordergrund. Die richtige Extraktionstemperatur für den entsprechenden Kaffee herauszufinden ist sehr wichtig. Diese hängt essenziell mit der Röstung zusammen. Dunklere Röstungen benötigen tendenziell niedrigere Temperaturen und umgekehrt.
Um dieses 1:2 Verhältnis zu erreichen ist die Abstimmung zwischen Kaffeemehlmenge, Mahlgrad, Tampen, Druckeinstellung ausschlaggebend. Etwas tricky dabei ist der Umstand, dass jede Bohne aufgrund von unterschiedlicher Struktur, Röstgrad und Alter (Röstdatum) eine andere Einstellung des Mahlgrades benötigt.
Durch die Adjustierung der genannten Parameter kann man das charakteristische Geschmacksprofil des jeweiligen Kaffees herauslösen und je nach Vorliebe stärker betonen. Zum einen ist das ein spannendes Spiel mit dem Rohstoff Kaffee und zum anderen ermöglicht dies, uns an ein optimales Resultat in der Tasse heranzutasten.
Nun schließt sich wieder der Kreis: „God im Espresso cup“ zu finden ist eine Herausforderung. Aber wenn man ihn findet ist dies allemal der Mühe wert. Glück auf!