FAKTENCHECK : RÖSTDATUM

IST FRISCHER AUTOMATISCH AUCH IMMER GLEICH BESSER?
EIN PAAR GRÜNDE DAGEGEN.

Gerösteter Kaffee ist ein Frische-Produkt. Aber wie definieren wir die Frische und was bedeutet das für den Alltag?
Es gibt in der Wissenschaft einen definierten Index aus dem Mengenverhältnis von den Aroma Molekülen Dimethylsulfid und Methanthiol. Dimethylsulfid entsteht durch Oxidation (hier: Reaktion mit Sauerstoff in der Umgebungsluft) aus Methanthiol. Dimethylsulfid nimmt mit der Zeit zu, Methanthiol nimmt ab. Das hilft einem im Alltag jedoch reichlich wenig. Ein wesentlich sichtbarerer Indikator ist der Gehalt von Kohlendioxid (CO2) in der Kaffeebohne. Ein Espresso erhält bei der Extraktion von sehr frisch gerösteten Kaffeebohnen eine deftigere Crema Schicht als von älteren Kaffeebohnen. CO2 entsteht während des Röstprozesses zum einen durch die sogenannte Strecker Degradation von Aminosäuren zu Aldehyden (z. B.: Methylbutanal: malzig, süßlich) und später im Prozeß in einem höheren Ausmaß durch die Pyrolyse von größeren Kohlenhydraten in der Kaffeebohne. Das heißt dunklere Röstgrade erzeugen weitaus mehr CO2 in der Bohne als hellere. Das sollte man bei der Bewertung der Frische von Kaffeebohnen in Betracht ziehen. Wann ist also das richtige Zeitfenster, um Kaffeebohnen für eine Espresso Extraktion zu nutzen? Meistens gilt: ab 3 Wochen nach der Röstung taugen die Bohnen von dunkleren Röstgraden erstmals wirklich für die Extraktion. Nach ca. 5 Wochen haben sie ein Maximum der positiven Eigenschaften für die Bildung von Crema, Aromen-Intensität und Extraktionseffizienz. In dieser Zeit sind die Espressi wunderbar in Balance. Bei guter Lagerung kann man Bohnen wunderbar bis zu 3 Monate nach der Röstung verwenden und dabei gute Ergebnisse in der Tasse erzielen. Würde man die Bohnen kurze Zeit nach der Röstung verwenden, bekommt man zwar einen überschäumenden Espresso, das heißt die Crema-Bildung ist aufgrund des sehr hohen CO2 Gehaltes sehr intensiv.
Die hohe CO2 Konzentration in der Bohne senkt jedoch auch die Extraktions-Effizienz. Das Wasser kann die Aromen und andere gewünschte Stoffe nicht ausreichend lösen. Die Aromen-Intensität im Extrakt ist deshalb ein paar Wochen nach der Röstung erheblich besser. Darüber hinaus nimmt man an, dass der hohe CO2 Gehalt den Extrakt ansäuert. Denn, das CO2 wird als Kohlensäure aus dem Kaffeepulver gelöst, ein Teil davon geht wieder in der Crema als Gasbläschen auf und ein Teil verbleibt als Kohlensäure im Extrakt. Die Entgasung der Kaffeebohnen über die Wochen nach der Röstung bringt somit mehr Balance in die Tasse, die Ergebnisse werden „weicher“ und runder. Bei 100% Robusta Bohnen zahlt es sich sogar aus bis zu zwei Monate zuzuwarten bevor man die Verpackung öffnet. Robusta Bohnen erzeugen aufgrund ihrer anderen chemischen Zusammensetzung hinsichtlich Kohlenhydrate und Aminosäuren mehr CO2 während der Röstung. Für hellere Filter Röstungen gilt: es ist weniger „störendes“ CO2 für die Extraktion vorhanden, jedoch entgasen hellere Bohnen viel langsamer als dunkler geröstete. Hellere Bohnen weisen aufgrund ihres Röstgrades eine geringere innere Porosität auf, die Gas- und Aroma-Moleküle wandern somit viel langsamer an die Oberfläche der Bohne. Das heißt in der Praxis: man kann hier durchaus bis zu 6 Wochen nach der Röstung warten, bevor man die Verpackung öffnet. Kaffee ist ein Frische-Produkt, Kaffee ist ein dynamisches Produkt. Wer nur die Crema bewertet, kratzt an der Oberfläche. Die wahren Schätze schlummern in der Tiefe der Tasse.

Zusammenfassung:

Zeitfenster für Espressi:
3-6 Wochen nach der Röstung, max. 3 Monate
Zeitfenster für 100% Robusta Espressi:
2 bis 5 Monate nach der Röstung
Zeitfenster für hellere Röstungen bei Filterzubereitungen:
5 bis 12 Wochen nach der Röstung
Dunkle Röstungen „altern“ schneller als hellere Röstungen.

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