Naturals: Characteristics in Cup

POST-HARVESTING | TEIL 2 VON 4

Kaffeebohnen müssen nach der Ernte in eine lagerfähige Form gebracht werden. Bei den „post-harvest-processes“ werden die Bohnen mit einer Feuchtigkeit von bis zu 65% auf ein Level von 10-12% getrocknet. Die unterschiedlichen Methoden dafür be- einflussen die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe und damit am Ende das Tassenprofil. In unserem ersten Teil der Presse-Reihe (PRESSE 01/24) widmeten wir uns dem sogenannten „natural/ dry process“, also der Trocknung der Bohnen mit dem Frucht- fleisch der umgebenden Kirsche.

Was bedeutet der „dry process“ (Trockenaufbereitung) für das Ergebnis in der Tasse? Grundsätzlich kann man annehmen, dass Bohnen aus diesem Prozess mehr Süße und Körper und weniger Säure in der Tasse aufweisen als Bohnen aus dem „washed process“. Körper definiert sich in der Tasse als ein Gefühl von gro- ßem Volumen bzw. Breite im Mund. Es sind vor allem Fette des Kaffees und größere, wasserlösliche Kohlenhydrate, welche den Körper in der Tasse ausmachen. Das heißt ein hoher Anteil dieser Stoffe erhöht auch gleichzeitig den Körper in der Tasse. Die Fette im Kaffee werden nicht durch den „post-harvest-process“ beeinflusst, sondern durch die Spezies, Varietät und vor allem die Anbauhöhe. Grundsätzlich lässt sich sagen: je höher eine Kaffeepflanze angebaut wird, desto höher ist der Fettgehalt. Der Anteil der wasserlöslichen Kohlenhydrate hingegen wird sehr wohl vom „dry process“ beeinflusst. Durch die Trocknung der Bohnen im Fruchtfleisch der Kirsche haften an der Außenseite der Bohne Reste einer Pektinschicht, welche im Gegensatz zum „washed/ wet process“ durch Fermentation und Waschgänge entfernt wird. Durch die Röstung der trocken aufbereiteten Bohnen wird diese große Kohlenhydratstruktur der Pektine in kleinere, wasserlösli che Teile zerlegt. Je mehr von diesen Teilen durch eine längere Verweilzeit im Röster entstehen, desto mehr Körper in der Tasse. Die Süße in der Tasse, welche wir zu schmecken glauben, wird hauptsächlich durch Aromen getragen, welche wir durch unsere Nase wahrnehmen. In vielen Diskussionen über die Süße von „naturals“ (trocken aufbereiteten Kaffees) geistert der Irrtum herum, dass die Zucker des Fruchtfleisches während der Trocknung in die Bohne wandern. Das würde bedeuten, dass die Zucker- moleküle wie die Lachse zum Laichen entgegengesetzt des Wasserstromes beim Trocknen wandern würden. Dieser Irrtum ist wissenschaftlich widerlegt. Der höhere Fructose- und Glucosegehalt in „naturals“ im Vergleich zu „washed coffees“ ist Ergebnis der trockenen Aufbereitung.

Bild: Kaffeekirschen bei der Natural Aufbereitung Quelle: Meet los Amigos/Belco

Die „washed coffees“ kommen im Gegensatz zu den „naturals“ über längere Zeit mit Wasser in Berührung. Das feuchte Milieu löst in „washed coffees“ Keimungsprozesse aus – das heißt der enzymatische Abbau von Proteinen und Kohlenhydrateinheiten beginnt. Bei „naturals“ finden diese Keimungsprozesse nicht bzw. in geringerer Form statt. Deshalb weisen „naturals“ ein anderes Starter-Set für die Röstung aus. Die Aromen, die daraus entstehen, tragen zum Empfinden der Süße bei.

Grafik: Knopp, S., Bytof, G., Selmar, D. (2006). Influence of pro- cessing on the content of sugar in green Arabica coffee beans. European Food Research and Technology 223, 195-201

Die trockene Aufbereitung ist in Brasilien weit verbreitet, weil hier während und nach der Ernte kein Regen fällt. Die brasilianischen „naturals“ unterscheiden sich jedoch sehr stark von den „naturals“ wie aus z.B. Äthiopien. In Brasilien wachsen die meisten Kaffeepflanzen auf ca. 1000 m über dem Meeresspiegel. In Äthiopien findet man viele Anbau- gebiete zwischen 1800 und 2200 m. Die brasilianischen Varietäten weisen tendenziell eher einen guten Körper und eine feine, cremige Süße im Espresso aus, während z.B. die äthiopischen „naturals“ ziemliche Fruchtbomben sein können und daher eher für Filterzubereitungen geeignet sind.

Das große Manko über lange Zeit bei Kaffeebohnen mit Trockenauf- bereitung war oft die fehlende Sauberkeit in der Tasse. Sauberkeit oder „clean cup“ definiert sich kurz erklärt durch die klare Erkennbarkeit und Unterscheidung von Aromen und Geschmäckern in der Tasse sowie dem allmählichen Verschwinden dieser Eindrücke nach kurzer Zeit. In dieser Kategorie haben „washed coffees“ oft die besseren Karten. Das Produzieren von „naturals“ erfordert also viel Know-How, um auf der einen Seite Körper und Süße zu erhalten, und auf der anderen Seite eine saubere Tasse zu bewahren. In punkto Sauberkeit werden wir bei den „washed coffees“ in der nächsten PRESSE-Ausgabe bald mehr erfahren.

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