NATURALS – DIE TROCKENAUFBEREITUNG

POST-HARVESTING | TEIL 1 VON 4

Wir werden in diesem Jahr zwei äthiopische Arabica Varietäten aus der Yirgacheffe Region für Filter Zubereitungen anbieten. Einer davon ist ein “natural“, der andere ein „washed“. In einer mehrteilige PRESSE Reihe werden wir in die Hintergründe dieser Prozesse eintauchen und inwiefern sie sich auf den Kaffee in der Tasse auswirken.

Was passiert mit frisch geernteten Kaffeekirschen? Die Bohnen in den Kirschen sind nach der Ernte im besten Falle gut ausgereift, jedoch sind sie noch nicht in der Form, in welcher sie gelagert, transportiert und geröstet werden können. Dafür ist eine sorgsame Nach-der-Ernte-Verarbeitung notwendig. Der sogenannte „Post-Harvest-Process“. Hier wird viel Energie und Know-How hineingesteckt, damit Röstereien einen gute Rohstoffbasis für ihre Röstprozesse vorfinden. Die Kirsche und die zwei darin liegenden Kaffeebohnen haben nach der Ernte eine Feuchtigkeit von bis zu 65%. Die Bohnen müssen für die Lagerfähigkeit auf ein Level von 10-12% getrocknet werden. Dabei werden in der Kaffeeproduktion unterschiedliche Methoden angewandt. Die zwei meistverwendeten Methoden sind der „natural“ bzw. „dry process“ und der „washed“ bzw. „wet process“. Daneben gibt es noch weitere wie den „honey process“, „semi-washed“ und diverse „anerob processes“.

Grafik: Aufbau der Kaffeebohne. 220GRAD

Warum gibt es verschiedene Methoden? – Dafür gibt es einige Gründe. Ein sehr wichtiger ist das vorherrschende Wetter bei der Ernte bzw. generell das Mikroklima in der Region. Der „natural“ Prozess wird grundsätzlich in Regionen angewendet, in welchen ein trockenes Klima während und nach der Ernte herrscht. „Washed coffees“ werden oft in Gebieten mit feuchtem Mikroklima produziert.

Die unterschiedlichen Methoden beeinflussen die Zusammensetzung der Inhaltsstoffe und damit am Ende das Tassenprofil. Die Basis ist und bleibt jedoch der sorgsame Umgang mit den Kaffeepflanzen und der Blick für die Reife beim Ernten.

„I don’t believe in crazy experimental coffees. The post-harvest process can maintain the quality but not create it. For me, working on quality starts at the plantation”. Dieses Zitat stammt vom Kaffeepro- duzenten Teo Englhardt aus Guatemala. Es ist die hohe Kunst beim „Post-harvest-Process“ die spezielle Qualität jeder Kaffeebohne vom Feld in die trockene, lagerfähige Form zu bringen. Bei den „naturals“ oder „dry processed coffees“ werden die Kaffeekirschen nach der Ernte gewaschen, von Fremdkörpern befreit und nach Reifegrad sortiert.

Bild: African Highbeds. Vietnam Coffee Origin Trip 2023

Danach werden die Kirschen auf sogenannte „Afrikanische Betten“ zum Trocknen aufgelegt. Der Vorteil bei diesen Betten gegenüber Betonflächen ist, dass die Kirschen auch von unterhalb belüftet werden. Durch immer wiederkehrendes Wenden der Kirschen wird versucht eine gleichmäßige Trocknung zu erreichen. Die große Herausforderung beim Trocknen liegt im richtigen Tempo. Bleiben die Kirschen zu lange feucht, drohen Fäulnisprozesse, welche sich negativ auf die Tassenqualität auswirken. Jedoch gibt es auch die Gefahr einer zu schnellen Trocknung. Der brasilianische Wissenschaftler Flavio Borém beschreibt den Schaden einer zu schnellen Trocknung indem die Zellstruktur der Kaffeebohnen zerstört wird und damit Absterbe-Prozesse in der Bohne eingeleitet werden. Die großen Mengen an Kaffeekirschen in Brasilien werden neben der Sonnentrocknung zusätzlich in Trommeltrocknern getrocknet. Für diese Prozesse hat Flavio Borém nach seinen Beobachtungen folgende Formel für die Trocknung von Kaffee ausgegeben: 13g H2O pro kg Kaffee und Stunde bei einer Temperatur zwischen 35 und 40° C. Diese Trocknungsgeschwindigkeit erhält am ehesten die Zellintegrität der Kaffeebohnen. Die Formel klingt einfach, erfordert aber in der Praxis viel Erfahrung und Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten. Die Trocknung dauert zwischen zwei und drei Wochen. Danach kommen die Bohnen mit dem eingetrockneten Fruchtfleisch in die Mühle.
Hier werden Fruchtfleisch und die Pergamino-Schicht entfernt und die Bohnen nach Dichte und Größe sortiert. Fehlerhafte Bohnen werden dabei nochmal aussortiert. In der Regel bleiben die grünen Bohnen noch eine Zeit lang in einem Lager mit definierter Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Hier „ruhen“ die Boh- nen noch etwas, damit sie für den Transport im Gleichgewicht sind. Denn das sollte man sich immer vor Augen führen, in grünen Kaffeebohnen ist der Prozess des Lebens nach wie vor im Gange. Deshalb hat die Lagerung und das Alter von Grünkaffee einen großen Einfluss auf die Qualität in der Tasse. Bis zur Feuertaufe der Veredelung müssen also viele Hände und Köpfe ans Werk, das sollten wir bei jeder guten Tasse schätzen.

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