Wer, Wie, Was…?
Wieso, Weshalb, Warum… Wer nicht fragt, bleibt dumm.
Es braucht oft Zeit den Dingen auf den Grund zu gehen und manchmal kommt man über eine Annäherung nicht hinaus.
Die Annäherung hat sich in den letzten Jahren in einer Reihe von publizierten Studien unter der Mitwirkung der 220GRAD Rösterei widergespiegelt. Gekrönt wurde das Ganze mit dem heurigen ALIMENTARIUS Preis 2022.
„…Kaffeebohnen sind kein homogenes Gebilde, sondern beinhalten als heterogener Feststoff mit eukaryotischer Zellstruktur auch Flüssigkeiten und Gase, welche durch die Röstung einem physikalischen und chemischen Wandel unterzogen werden. Zusätzlich ist der Druck innerhalb der Kaffeebohnen aufgrund der Erhitzung und den Aufbruch Momenten ebenfalls einer dynamischen Entwicklung unterworfen, welche sich auf die Siedepunkte der Flüssigkeiten in den Zellstrukturen auswirkt. Temperatur verliert somit an Aussagekraft. Denn Temperatur ist nun mal, was sie ist: eine vom Menschen erschaffene Zustandsbeschreibung – welche bei umsichtigem Einsatz wertvolle Informationen liefern kann. Bei der Überwachung des Röstprozesses kann Temperatur also nur in Bezug auf die verwendete Röstmaschine und Chargengröße Auskunft über den Röstfortschritt geben. Als Beispiel kann die erste Phase der Röstung herangezogen werden: die Trocknungsphase. Der ursprüngliche Wasseranteil von 10-12% in Rohkaffee wird in der ersten Phase des Röstens mit Energie (erhitzter Luftstrom) den Bohnen durch Verdampfung and der Oberfläche zu einem großen Teil entzogen. Bei schnellen Röstprofilen erfolgt der Zeitpunkt der Gelbfärbung (grün -> gelb) der Bohne bei höheren Temperaturen aber kürzerer Dauer. Bei langsameren Profilen schlägt die Gelbfärbung bei niedriger Temperatur, aber längerer Trocknungsphase, um. Die bestimmte Menge Wasser, welche die Maillard, Strecker und andere Reaktionen hemmt, hat also die Bohne bei einem langsameren Röstprofil schon vor dem Erreichen der höheren Temperatur des schnelleren Profils erreicht. Schnellere Profile tendieren auch zu inhomogeneren Röstgraden, da das Energielevel des Zentrums der Bohne dem der Oberfläche immer verzögert folgt (Abb.1). Deshalb finden Verkohlungsprozesse mit begleitenden „verbrannten“ Gerüchen bei sehr weit fortgeschrittenen Röstungen immer zuerst an den äußeren Enden der ellipsenförmigen Bohnen statt. Zusätzlich spielen hier die Dichte und Größe der Rohkaffeebohnen eine wesentliche Rolle. Das heißt, die vorhandenen Zucker und Aminosäuren werden in unterschiedlich schnellen Röstprofilen und/ oder Chargengrößen durch resultierend unterschiedliche Reaktionskinetik in unterschiedliche Endprodukte umgewandelt. Temperaturmessung kann diese Informationen nicht liefern. […] Deshalb sind mit dieser Doktorarbeit die Grundlagen für sogenanntes „chemical monitoring“ geschaffen worden. Das bedeutet, die tatsächlichen chemischen Veränderungen auf der Bohne sollen on-line erfasst werden. Die genaue technische Umsetzung ist noch ein weiter Weg. Wieso ist eine neue Messmethode so dringend von Nöten? Dazu gibt es ein Stichwort: Klimawandel […]. Zusätzlich wird die traditionelle Erhitzungsquelle Erdgas mehr und mehr Strom und Wasserstoff weichen. Energie aus diesen Quellen verhält sich dabei anders bei der Übertragung auf die Bohnen – auch hier hat Temperatur nur einen marginalen Informationsgehalt….“
(Quelle: Zeitschrift ERNÄHRUNG)
Somit verstehen wir heute bei 220GRAD eigentlich keine Temperatur beim Rösten mehr – sondern eine Art der interessierten und offenen Herangehensweise und einer demütigen Haltung des eigenen Wissens und Könnens, welches ständig überholt wird. Kaffee ist dafür das perfekte Vehikel: hinter jeder Erkenntnis, sei es beim Rohkaffee, beim Rösten oder beim Extrahieren und Zubereiten, warten wieder drei weitere Fragen. So irren wir mit großer Zuversicht weiter und haben oft mehr Freude mit den Fragen als mit den Antworten.
zeitung_format_presse_0522